22. Oktober 2010

Schau mich an, junger Mann

Das erste Mal, dass ich in das grosse Konzerthaus gehe. Ich war immer nur draussen, unter dem grossen Dach, an den grossen Teichen. Das Haus gehört zu unserem See wie der Bahnhof zu unserem See gehört. Es ist gross, wirklich gross und modern, sehr modern und abstrakt und futuristisch. Das Dach ist so gross, dass man bei Regen noch zwanzig Meter davor am Trocknen stehen kann. Die Teiche sind vom See abgeleitet, manchmal schwimmen Enten darin und sie gehen bis ins Konzerthaus selber. Der Architekt soll damals gesagt haben, wenn er das Haus nicht auf das Wasser bauen könne, so hole er das Wasser in das Haus.

Die Notenhefter, säuberlich in schwarz gehüllt, wippten allesamt im Gleichtakt mit den Trommeln. Wie eine Schar Vögel hoben sie sich auf und ab, ein Schwarm schwarzweisser Vögel. Die Pianistin hatte Schlitzaugen und kleine Brüste, aber ihre Oberarme...! Ihre Oberarme waren so muskulös wie die eines Kletterers und damit hackte sie auf die Tasten. Ich bin überzeugt, dass sie ganz liebevoll mit dem dunkel glänzenden Flügel umgegangen ist, aber ihr Oberarme...! Der Solist spielte Theater, schaute mit grimmiger Miene in den Saal, den Konzertsaal im Konzerthaus. Der andere Solist sang Kopfstimme und sein Gesicht war lang und sein Blick war böse. Mit den Händen fummelte er vor seinem Bauch herum, genau wie Pettigrew, die Ratte und Voldemort's Helfer. Mit einem stechenden Blick musterte er das Publikum, die eine Braue leicht aber fies gehoben. Und die Percussionisten - unglaublich wunderschön. Sie modellieren ihr Instrument, während hinter ihnen die Menschen nur stehen und die Hefter nur wippen. Und dann, allesamt im Fortissimo, die Halle bebte, das Trommelfell dehnte sich und die riesige Gong klang über alles hinweg.

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